Rupert Sommer | 21. Oktober 2021 um 10:43
Mathias Döpfner
Florian Gless
Florian Gless reagiert in seinem aktuellen stern.de-Kommentar auch auf die im Netz verbreitete Video-Botschaft von Döpfner, die sich in erster Linie an die Mitarbeiter des Hauses Springer richten sollte und in der Döpfner für "Transparenz" sorgen wollte. Der Stern-Chefredakteur greift dabei zunächst die Diskussion um ein Zitat aus einem Kurznachrichten-Wechsel zwischen Mathias Döpfner und Benjamin von Stuckrad-Barre auf. Darin führte der Springer-Chef den Vergleich der Merkel-Regierung mit einem vermeintlichen "DDR-Obrigkeits-Staat" an. In der Video-Botschaft betonte Döpfner, dass es sich um eine private Nachricht gehandelt habe und nicht um einen öffentliches Zitat etwa in Form eines Tweets. Die Veröffentlichung des privaten Austauschs in der New York Times sei eine "Grenzverletzung". Florian Gless schreibt dazu: "Döpfner versucht, die Bedeutung des Geschriebenen runterzureden, was bleibt ihm übrig? Es fehle völlig 'der Kontext', 'das Polemische', 'die Ironie'", so der Stern-Chefredakteur. "Das sind rhetorische Stilmittel, scharfer verbaler Angriff und feiner Spott. Wenn er das ernst meint, will Döpfner sagen, dass er hier in einer großen Übertreibung über seinen Bild-Chef und die Bundesrepublik gesprochen habe." Allerdings, so argumentiert Gless weiter: "Was hätte der Springer-Chef tatsächlich sagen wollen über seinen Bild-Chef Julian Reichelt, 'der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt'? Hahaha, was für eine Null? Was für ein Depp, der sich nicht traut, mal so richtig draufzuhauen? Beides ergibt keinen Sinn", so Florian Gless. "Denn eins kann man Julian Reichelt nicht vorwerfen: Dass er nicht immer wieder, auch irrlichternd, lautstark gegen die Politik der Regierung angeschrieben hat. Vor allem aber passt es nicht, weil sich Döpfner zu sehr vor Reichelt gestellt hat, als der im Frühjahr Gegenstand einer groß angelegten Untersuchung war." Dass Mathias Döpfner auch nach des internen Ermittlungsverfahrens an Julian Reichelt festgehalten und ihm die auch in der Videoboschaft erneut so genannte "zweite Chance" gegeben hatte, kritisiert Florian Gless scharf. "Das Bild, das sich aus den veröffentlichten Vorwürfen ergibt, ist zu klar", so der stern.de-Kommentator. "Es mag nicht für eine Strafverfolgung reichen. Aber ist ein so hochemotionales System, gefüttert aus Leidenschaft, bestimmt auch Zuneigung, aber eben auch Enttäuschung, Verbitterung, Neid und Angst, erst zu verurteilen, wenn es dem Deliktkatalog des Strafgesetzbuches entspricht?", fragt sich Gless. Die Antwort: "Nein. Döpfner hat spätestens aus den Untersuchungsakten der Kanzlei Freshfields gewusst, wie es in der Bild-Redaktion zugeht. Wie Julian Reichelt dort herrscht: #metoo hoch zwei." Besonders problematisch - so die Schlussfolgerung des pointierten Appells - sei die Verhaltensweise von Mathias Döpfner, weil er eben nicht nur Springer-Lenker, sondern auch als Präsident des BDZV öffentlich eigentlich für die gesamte Branche sprechen sollte. "Er schreibt von 'Feinden' und von 'Gegnerschaft', sieht die Gesellschaft in Lager unterteilt, die in seiner Perspektive gut und böse sind", sagt Gless über Döpfner. "Nur Reichelt (und man kann vermuten: mit ihm die Bild-Redaktion) stehen für Döpfner auf der guten Seite. Hier entzieht einer der obersten Lobbyisten der Presse- und Meinungsfreiheit seinen Kolleginnen und Kollegen, den Journalisten in den Verlagen, das Vertrauen. Privat oder nicht, polemisch, ironisch – spielt das noch eine Rolle?" Mit dem Ende des Kommentars wird Florian Gless mehr als deutlich: "Das alles wiegt umso schwerer, als Döpfner sich stets als feingliedriger Intellektueller gibt. Einer, dem es stets um das Gelingen von Demokratie geht, der sich für die Bedeutung der Kultur einsetzt und dem die Freundschaft mit Israel ein wichtiges Anliegen ist", liest man bei stern.de. "Doch durch sein Verhalten in der Bild-Affäre und diese Nachricht an seinen Freund ist er entlarvt. Mathias Döpfner sollte von allen Posten und Ämtern zurücktreten."
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